Blog
Artikel

Entwicklungstrauma

Entwicklungstrauma
03. März 2017
Jürgen Degner

Entwicklungstrauma entsteht durch immer wiederkehrende, überwältigende und quälende Einwirkungen,
die über einen längeren Zeitraum ertragen werden mussten,
meistens im Kontakt mit Bezugspersonenpersonen (Mutter oder Vater).

Grundsätzlich birgt die Zeit der Kindheit hierfür eine besondere Gefährdung.

Diese traumatischen Erfahrungen prägen oft tiefgreifend das Erleben der Welt
und die Beziehungen zu anderen Menschen.

Eine spezielle Form von Entwicklungstraumata sind Bindungstraumata:
Neugeborene kommen mit einem nicht vollständig ausgereiften Nervensystem zur Welt.
Der Säugling kann somit seine inneren Zustände nicht selbst regulieren.
Ein Baby braucht eine verlässliche Bindung, einen Erwachsenen der es tröstet und beruhigt,
wenn er innerlich aufgeregt ist.
Durch das richtige Maß an Anregung durch Kontakt über Körper, Ansprache und Blick,
lernt das Baby sich zu regulieren.
Es fühlt sich gefühlt, sich in seinen Bedürfnissen verstanden und gesehen.
Es bildet Ressourcen und Fähigkeiten mit denen es später durch das Leben gehen kann.
Durch diesen engen Kontakt lernt es Emotionen im Körper zu halten, ohne in eine Überregung zu gehen.
Es bildet das sogenannte „window of tolerance“.
Unser Stressregulationsfenster.
Und somit wird je nach Weite des „window of tolerance“, unsere Fähigkeit im späteren Leben
mit Stress und Belastungen umgehen zu können, bestimmt.
Je besser dieses ausgebildet ist, desto besser können wir uns selbst regulieren.

Die Selbstregulation ist eine der wichtigsten Fähigkeiten im Leben!

Gab es nun zu wenig von dieser natürlichen Art des Kontakts mit zumindest einer Bezugsperson,
da diese z.B. selber depressiv ist, Ängste hat, die Bedürfnisse des Babys nicht verstehen kann,
so kann sich zum Einen nur ein sehr schmales „window of tolerance“ bilden,
zum Anderen entstehen sehr große, durch stressbedingte, innere Spannungsfelder im Körper.
Da wir diese Spannungsfelder nicht abbauen, verlagert der Körper diese u.A. in die Muskulatur.
Dort halten wir entweder die Spannung und/oder, wir sind bereits vorher kollabiert
und haben in dem Teil des Körpers gar keine Körperspannung mehr.
Dem jeweiligen Entwicklungsalter des Kindes entsprechend entstehen so bestimmte Körperstrukturen
und damit verbundene Glaubenssätze mit denen wir durch die Welt gehen.
Zusätzlich werden dem Entwicklungsalter zugeordnete Fähigkeiten nicht ausgebildet,
oder die bereits erlernten Fähigkeiten werden durch Demütigung, Überforderung usw. nicht mehr genutzt.
Diese fehlen dann im späteren Leben um in Stresssituation adäquat handeln zu können.
Da das älteste Gedächtnis das wir haben unser Körpergedächtnis ist,
- unser biographisches Gedächtnis entwickelt sich erst mit ca. zwei, drei, vier Jahren -
ist somit die Gesamtheit unserer Kindheitserfahrungen in unserem Körper abgespeichert.

Für das spätere Leben kann dies bedeuten,
dass das Nervensystem dauerhaft in einer Über- oder Untererregung schwingt.

In der Folge ist es anfälliger und verletzlicher für jede Art von Reiz.
Zudem wird die Welt durch dieses nicht flexible und ungesund entwickelte Nervensystem erlebt und betrachtet.

Das kann zu folgenden Symptomen, Einschränkungen und Glaubenssätzen führen:

Symptome:
oberhalb des „window of tolerance“, in der Übererregung:

• Ständig etwas machen und in Bewegung sein
• Nicht zur Ruhe kommen können
• Ständige Alarmbereitschaft
• Nervosität, Konzentrationsschwäche
• Wutausbrüche
• Schlaflosigkeit, Angespanntheit
• Schwierigkeiten zu vertrauen
• Misstrauen
• Viel auf sich selbst beziehen
• Workoholics
• Suche nach dem „Adrenalin-Kick“
• Schwierigkeiten, den Fokus zu halten
• Selbstmedikation mit allem, was beruhigt
• usw...


unterhalb des des „window of tolerance“, in der Untererregung:

• Depression
• Sinnlosigkeit
• Emotionale Taubheit
• Sich abgeschnitten fühlen, Sich „anders“ fühlen
• In Trance gehen (kann man auch vor dem Fernseher oder Computer oder beim Lesen)
• Kraftlosigkeit und Energielosigkeit
• Sich alleine fühlen
• usw...


Einschränkungen:

• Freundschaften und Beziehungen einzugehen
• empathisch auf andere Menschen zu zugehen
• ein stabiles „Ich-Gefühl“ mit Wertschätzung für die eigene Person zu haben
• gut für sich selber sorgen zu können
• die Bedürfnisse des eigenen Körpers ernst zu nehmen
• usw....

Glaubenssätze:

• Ich habe keinen Platz hier auf dieser Erde
• Unterm Strich bin ich eh allein
• Ich frage nicht mehr nach Hilfe, ich bekomme eh das Falsche
• Alle bekommen alles, nur ich gehe leer aus
• Ich muss manipulieren um zu bekommen was ich will
• Ich muss immer die Kontrolle behalten
• Egal was ich tue, es ist nicht richtig
• Ich fühle mich, als hätte ich eine Bombe in mir
• Ich muss mich aufgeben um anderen nah zu sein
• Wenn ich tue, was ich will, bin ich allein
• Liebe muss man sich verdienen
• usw....